Elektronegativität

Bedeutung der Elektronegativität

Sind zwei Atome unterschiedlicher Elemente in einer chemischen Bindung miteinander verbunden, so "teilen" sie sich dabei Elektronenpaare. Diese Bindungselektronen sind aber räumlich ungleich verteilt. Die Eigenschaft, die bestimmt, welches der Atome die Elektronen stärker anzieht, heißt Elektronegativität.
Die am häufigsten verwendete Skala zur Beschreibung dieses Wertes geht auf Linus Pauling zurück, der das Konzept im Jahr 1932 entwickelte. Diese Pauling-Skala gilt auch für die im Periodensystem der Elemente dargestellten EN-Werte.
Diese dimensionslose Skala (es gibt keine "Einheit", sondern nur einen numerischen Wert) reicht von 0,79 für Cäsium bis 3,89 für Fluor. Für Edelgase gibt man in der Regel keine EN-Werte an, da diese unter den meisten Bedingungen keine chemischen Bindungen eingehen.

Elektrostatische Anziehung im Atommodell

Die EN resultiert aus der Anziehung der negativ geladenen Außenelektronen vom positiv geladenen Atomkern beziehungsweise den darin befindlichen Protonen. Je weniger Elektronen zur Edelgaskonfiguration (voll besetzte äußere Elektronenschale) fehlen, desto stärker ist diese elektrostatische Anziehung und desto elektronegativer das Atom. Elemente mit geringem EN-Wert bezeichnet man dagegen auch als elektropositiv.
Die dabei wirkenden Kräfte haben sogar Auswirkungen auf den Atomradius: Elemente einer Periode (sprich: Einer Zeile im Periodensystem) unterscheiden sich durch die Kernladungszahl und der damit verbundenen Zahl der Außenelektronen. Mit steigender Zahl der Außenelektronen zieht der Kern diese stärker an und sorgt damit für eine insgesamt geringere Ausdehnung des Atoms.
Dennoch ist wichtig, dass du den EN-Wert so begreifst, dass er Atome in einer Bindung beschreibt. Für freie Atome verwendet man stattdessen die Begriffe Ionisierungsenergie und Elektronenaffinität, auf die aber an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.

Wo kann man den EN-Wert ablesen und welchen Regeln folgt er?

Auch für das einzelne betrachtete Element kann man Regelmäßigkeiten erkennen: Im Periodensystem der Elemente wird der EN-Wert üblicherweise links unterhalb des Elementsymbols angegeben.
Wirf einen Blick in dein Tafelwerk. Du wirst sehen: Je weiter rechts ein Element im PSE steht, desto höher ist die Elektronegativität. Das ist die Folge der Annäherung an die Edelgaskonfiguration.
Elemente, die weiter unten im PSE angeordnet sind, sind weniger elektronegativ, da hier bereits mehr Elektronenschalen besetzt sind und für mehr Abstand zwischen Kern und Außenschale sorgen. Je größer dieser Abstand, desto geringer die elektrostatische Anziehung und dadurch der EN-Wert.

Elektronegativität und Polarität von Bindungen

Aus der unterschiedlichen Elektronegativität von Bindungspartnern resultieren grundlegende Eigenschaften der Bindung: Beträgt die Elektronegativitätsdifferenz bis zu einem Wert von 0,4, ist die Bindung kovalent, bei einem Wert größer 1,7 ist sie ionisch. Dazwischen liegen sogenannte polare Bindungen. Dies ist jedoch eher als Faustregel ohne Absolutheitswert zu begreifen, denn abhängig von der Größe der beteiligten Atome kann es Ausnahmen geben (zum Beispiel Flourwasserstoff HF mit einer Differenz von 1,8 - aber einer dennoch polaren Bindung). Außerdem haben auch stark ionische Verbindungen immer noch geringe kovalente Anteile.

Die Elektronegativitätsdifferenz und damit die Polarität hat Auswirkungen auf zahlreiche weitere Eigenschaften chemischer Verbindungen. So sind polarere Verbindungen in der Regel besser wasserlöslich als unpolare Stoffe. Außerdem gibt es bedeutende Unterschiede zwischen nicht-ionischen und ionischen Verbindungen: Bei letzteren ist die Elektronegativitätsdifferenz so groß, dass ein Atom effektiv die Bindungselektronen des Bindungspartners aufnimmt. Dadurch erhalten beide Atome eine elektrische Ladung und werden zu Ionen. Verbindungen mit ionischen Bindungen bezeichnet man auch als Salze.

In komplexeren Verbindungen insbesondere in der organischen Chemie führt dies dazu, dass innerhalb der Moleküle Ladungsschwerpunkte entstehen. Dadurch entstehen funktionelle Gruppen mit spezifischen Eigenschaften, z.B. tendenziell elektropositive Amine und elektronegative Nitrogruppen. Diese haben Auswirkungen auf die Reaktivität der Verbindungen und können anhand der Strukturformel Voraussagen über die Eigenschaften des Stoffs erlauben. So gehen zum Beispiel viele Synthesewege in der organischen Chemie davon aus, dass elektronegative Verbindungsteile eines Stoffes an elektropositiven Gruppen eines anderen Stoffes angreifen.

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