Als Aminosäuren bzw. Aminocarbonsäuren (veraltet auch Amidosäuren) werden in der organischen Chemie Verbindungen bezeichnet, die mindestens eine Carboxylgruppe (-COOH) sowie mindestens eine Aminogruppe (-NH2 bzw. substituiert mit organischem Rest -NR2) aufweisen. Rein chemisch betrachtet sind die Aminosäuren daher primäre Amine der Carbonsäuren – daher rührt auch deren Bezeichnung her.
Wenn von Aminosäuren gesprochen wird, dann sind damit häufig die proteinogenen Aminocarbonsäuren gemeint, welche die Grundbausteine der Proteine (Verlinkung zu Text über Proteine) sind, die in allen Lebewesen der Erde vorkommen. Während bisher 23 dieser proteinbildenden Aminosäuren bekannt sind, so beläuft sich die Zahl der nicht-proteinogenen Vertreter, die jedoch ebenfalls biologische Funktionen haben, auf über 400.
Aufgrund der Tatsache, dass eine Aminosäure mindestens eine Carboxyl- sowie eine Aminogruppe enthalten muss, besteht die einfachste Aminosäure aus mindestens zwei C-Atomen. Grundsätzlich wäre die Carbamidsäure die einfachste Aminosäure – sie ist jedoch instabil und zerfällt meist direkt wieder in Kohlensäure und ein Amin.
Alle übrigen Vertreter weisen weitere Kohlenstoffatome am Kohlenstoffatom der Carboxylgruppe auf.
Je nach Stellung der Aminogruppe zum Kohlenstoffatom, an welchen die Carboxylgruppe hängt, kann eine Einteilung in α-, β-, γ- und δ-Aminosäuren erfolgen.
Sollten sich im jeweiligen Molekül der Aminosäure weitere Aminogruppen befinden, so erfolgt die Einteilung stets anhand des Kohlenstoffs, dessen Aminogruppe sich am nächsten zum Carboxyl-Kohlenstoff befindet.
Die Gruppe der α-Aminosäuren (nach IUPAC 2-Aminocarbonsäuren) folgt der Struktur, dass sich die Aminogruppe zusammen mit der Carboxylgruppe am zweiten Kohlenstoffatom der Verbindung befindet. Die Zählung des für die Einteilung verantwortlichen C-Atoms beginnt stets an der Position des Carboxyl-Kohlenstoffs. Der einfachste Vertreter der α-Aminosäuren ist Glycin.
Diese Vertreter der Aminosäuren sind es auch, die wie eingangs erwähnt, für den Aufbau der Proteine essenziell sind. So sind alle proteinogenen Aminosäuren Vertreter der α-Aminosäuren, genauer gesagt die L- α-Aminosäuren, also die die L-Variante (lat. laevus, links) der Fischer-Projektion der beiden Enantiomere. Die einzige Ausnahme ist dabei Glycin.
Bei β-Aminosäuren (nach IUPAC 3-Aminocarbonsäuren) befindet sich die Aminogruppe am dritten Kohlenstoffatom des Moleküls. Einfachster Vertreter dieser Gruppe ist das β-Alinin.
Befindet sich die Aminogruppe am vierten C-Atom des Moleküls, dann wird von einer γ-Aminosäure (nach IUPAC 4-Aminocarbonsäuren) gesprochen. Einfachster Vertreter hierbei ist die γ-Aminobuttersäure.
Die Einteilung weiterer Gruppen könnte nach dem gleichen Schema fortgeführt werden.
Alle Aminosäuren einer Klasse bzw. Gruppe lassen sich zusätzlich hinsichtlich ihrer Seitenkette R (Aminosäurerest) untereinander unterscheiden. Unterscheidet sich der Aminosäurerest von den anderen im Molekül am Kohlenstoffatom der Aminogruppe befindlichen Substituenten, so gibt es von der Aminosäure zwei Enantiomere und das C-Atom gilt als chiral. Es gibt also für jedes Molekül eine D- bzw. L-Form. D-Aminosäuren kommen zwar auch in Lebewesen vor, werden aber in der Regel verstoffwechselt und in diesem Zuge synthetisiert. Sie bleiben daher nicht-proteinogen.
Für die in der Natur vorkommenden Aminosäuren werden meist die Trivialbezeichnungen verwendet. Bei der Nomenklatur orientiert sich dabei der Name im Wesentlichen aus dem Protein, aus welchem die jeweilige Aminosäure gewonnen wurde. Am Beispiel der Seide das Serin, aus Blasensteinen (cystis: griech. für Blase) das Cystein, aus Käse (tyros griech. Käse) sowie aus Spargelsaft (asparagus lat. Spargel) das Asparigin.
Die wichtigsten proteinogenen Aminosäuren, die durch Codons des genetischen Materials kodiert werden, werden oftmals auch als kanonische Aminosäuren sowie Standardaminosäuren bezeichnet. Insgesamt sind dies 20 Stück, wobei im Folgenden kurz einige Vertreter bezüglich ihrer Nomenklatur aufgeführt werden. Neben ihren Trivialnamen sind auch die zugehörigen Abkürzungen (rot), Symbole (grün) und der Name (schwarz) aufgeführt:
Wir Menschen selbst verwenden neben diesen 20 kanonischen Aminosäuren noch Selenocystein als proteinbildende Aminosäure.
Dementsprechend gehören alle anderen für den Proteinaufbau verantwortlichen Aminosäuren zu den nicht-kanonischen Vertretern. Diese lassen sich in drei Klassen einteilen, wobei beispielsweise das Selenocystein und Pyrolysin zu der ersten Klasse gehört, die sich durch Recodierung des genetischen Materials auch in Proteine einbauen lassen.
Grundsätzlich sind die Eigenschaften der Aminosäuren vor allem von deren funktionellen Gruppen (Aminogruppe und Carboxygruppe) sowie den funktionellen Gruppen der anhängenden Aminosäurereste abhängig.
Aminocarbonsäuren sind Ampholyte – sie können also sowohl als Brönsted-Säure (Protonendonator) als auch als Brönsted-Base (Protonenakzeptor) fungieren. Ursache dafür ist die Tatsache, dass das Stickstoff-Atom (N) ein basisches Zentrum ausbildet, da es über ein freies Elektronenpaar verfügt. Dagegen bildet die Carboxylgruppe saure Eigenschaften aus.
Daher können Aminosäuren mit elektrophilen wie auch mit nukleophilen Reaktionspartner reagieren. Gleichzeitig bilden sie durch Reaktion untereinander sogenannte Peptide.
Zudem kann eine Aminosäure daher als sogenanntes Zwitterion vorliegen. Dabei wird das Proton der Carboxygruppe durch intermolekulare Wanderung des Protons durch das freie Elektronenpaar der Aminogruppe gebunden.
In wässrigen Lösungen wie auch in Feststoffen liegen Aminosäuren daher mit protonierter Aminogruppe und deprotonierter Carboxygruppe vor.
Dementsprechend ist für eine Aussage über das Säure- und Base-Verhalten von proteinogenen Aminocarbonsäuren immer das Verhalten des Aminosäurerests R wichtig. Das jeweilige Verhalten des Rests R wiederum ist von seiner Konstitution abhängig – also davon, ob er selbst als Protonendonator oder -akzeptor wirkt. Daher lassen sich die proteinogenen Aminocarbonsäuren in saure wie auch basische Aminosäuren einteilen.
Beispiele der sauren Aminosäuren: Asparaginsäure (Aspartat), Glutaminsäure (Glutamat, bekannt als Geschmacksverstärker)
Beispiele der basischen Aminosäuren: Lysin, Arginin und Histidin
Verhalten bei Säure- und Laugenzugabe:
In sauren Lösungen reagieren Aminosäuren als Basen und nehmen dementsprechend ein Proton auf. Sie liegen daher als positiv geladenes Kation vor.
In basischer Lösung reagieren die Aminosäuren dagegen als Säuren, geben ein Proton ab und liegen als negativ geladenes Anion vor.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Aminosäuren entweder als Zwitterion (wässriger Lösung), Kation (sauren Lösung) oder als Anion (basischer Lösung) vorliegen können.
In diesem Zusammenhang ist noch die Begrifflichkeit des isoelektrischen Punktes (IEP) zu definieren. Ab diesem Punkt bzw. pH-Wert liegen die Aminosäuren ausschließlich als Zwitterion vor. Wo dieser Punkt genau liegt, ist von den an den Aminosäuren-Molekülen befindlichen organischen Resten abhängig und variiert daher. Diese Eigenschaft wird auch bei der sogenannten Elektrophorese genutzt. Dies ist eine Methode, um Gemische von mehreren Aminosäuren zu trennen oder um diese zu charakterisieren.
Die meisten Aminocarbonsäuren als Reinstoff können nicht geschmolzen werden, da die dafür benötigte Energie so hoch ist, dass bereits die Atombindungen innerhalb der Molekülstruktur aufgebrochen werden würden. In Folge dessen würde das Aminosäuremolekül zerstört werden. Grund dafür ist, dass die als Zwitterion vorliegenden Moleküle starke Ionenbindungen untereinander eingehen.
Auch die Löslichkeit wird entscheidend durch die Struktur des Zwitterions und seiner negativen bzw. positiven Ladung rund um das alpha-C-Atom bestimmt. Um das alpha-C-Atom herrscht daher eine hohe Polarität, weshalb sich die meisten Aminosäuren auch gut in polaren Lösungsmitteln (z. B. Wasser) lösen lassen.
Die Löslichkeit kann man jedoch durch den organischen Rest empfindlich beeinflussen. So kann beispielsweise ein großer und unpolarer Rest die Löslichkeit deutlich herabsetzen.
Die Elektrophorese ist eine essenzielle Methode, um Gemische aus Aminocarbonsäuren zu trennen. Genau hierbei wird die Eigenschaft der verschiedenen isoelektrischen Punkte der Aminosäuren, also dann, wenn sie bei einem bestimmten pH-Wert entweder als Kation, Anion oder als Zwitterion vorliegen, ausgenutzt.
In der Biochemie wird diese Methode hauptsächlich zur Charakterisierung und Trennung von Aminosäuren, Biomolekülen und Peptiden verwendet. In der Praxisanwendung kommt dabei häufig die Trägerelektrophorese zum Einsatz.
Um das jeweilige Gemisch zu trennen, wird es zunächst gelöst und ein definierter pH-Wert eingestellt. Das für den Versuch erforderliche Trägermaterial bzw. Filterpapier (z. B. Celluloseacetat, Papier) ist dann mit einer Pufferlösung zu tränken und im Anschluss zwischen den Minus- und Pluspol einer Spannungsquelle zu klemmen. Danach wird die Analyselösung auf die Startmarkierung aufgetragen und eine Gleichspannung von mindestens 100 Volt angelegt.
Im folgenden Verlauf wandern die negativ geladenen Aminosäuren zum positiven Pluspol und die positiv geladenen Aminosäuren zum negativen Minuspol der Spannungsquelle. Die neutralen Zwitterionen des Gemisches wandern dagegen überhaupt nicht. Auch die Geschwindigkeit, mit welcher die geladenen Aminosäuren jeweils in beide Richtungen wandern, ist unterschiedlich. So wandern die Aminosäuren mit einem großen und daher schweren Rest eher langsamer als die mit einem kurzkettigen bzw. leichten Rest.
Ist das Gemisch schließlich aufgetrennt, dann lassen sich die auf dem Trägermaterial befindlichen Komponenten durch den Einsatz weiterer Reagenzien entsprechend visualisieren und charakterisieren.
Die trägergebundene Elektrophorese ist beispielsweise für die DNA-Analyse sowie für zahlreiche Anwendungen des medizinischen wie auch umweltanalytischen Bereichs von großer Bedeutung.
Alternativ können auch gelartige Stoffe wie Stärkegele oder Polyacrylamidgele als Trägermaterial eingesetzt werden. Hier wird dann speziell von der Gelelektrophorese gesprochen. Bei dieser
Methode wirken sich die Gestalt und Größe der zu trennenden Teilchen viel stärker aus. Geschuldet ist diese durch die hohe Viskosität der Gele.
Anwendung findet dieses Verfahren beispielsweise im Rahmen der Kriminaltechnik beim sogenannten „genetischen Fingerabdruck“.