Innerhalb der organischen Chemie stellen Verbindungen, die mindestens eine Carboxygruppe (-COOH) aufweisen, die Gruppe der Carbonsäuren dar. Je nach Anzahl der funktionellen Carboxygruppe haben die Verbindungen eine mehr oder weniger ausgeprägte Acidität. Die Carboxygruppe stellt also das gemeinsame Strukturmerkmal dieser Säuren dar. Ansonsten weisen auch die Carbonsäuren sehr unterschiedliche Strukturen auf, da es sich hier um Derivate der gesättigten, ungesättigten sowie aromatischen und cyclischen Kohlenwasserstoffe handelt. Daher können sie in kettenförmiger, unverzweigter, verzweigter sowie ringförmiger Form vorkommen.
Für die Benennung der Carbonsäuren wird entweder ein unsystematischer Trivialname verwendet, der oftmals Aufschluss darüber gibt, aus welcher Substanz oder welchen Ort die Säure gewonnen werden
kann. Er gibt also direkt eine Information über das Vorkommen der jeweiligen Carbonsäure. Generell sind organische Säuren ein natürlicher Inhaltsstoff zahlreicher Lebensmittel und für deren
charakteristisch sauren Geschmack verantwortlich.
Daneben gibt es noch die systematische Benennung, bei welcher der Säure der Bezeichnung ihres Grundgerüsts der Wortzusatz „-säure“ angehängt wird.
So wird werden die Säuren, deren Grundgerüst von einem Alkan gebildet wird, beispielsweise als Methansäure (Ameisensäure) oder Ethansäure (Essigsäure) bezeichnet. Weitere Beispiele und wichtige
Vertreter der Carbonsäuren sind die Buttersäure (Grundgerüst Butan: Butansäure) sowie die Zitronensäure.
Je nach vorliegender Struktur des organischen Restes R, der sich an der funktionellen Carboxygruppe (-COOH) befindet wird zwischen aliphatischen, aromatischen (z.B. Benzoesäure) und
heterocyclischen Carbonsäuren (z. B. Nicotinsäure) unterschieden.
Vergleichbar zu den kettenförmigen Kohlenwasserstoffverbindungen lassen sich die aliphatischen Vertreter in Alkansäuren,
Alkensäuren und Alkinsäuren gliedern. Analog dazu werden auch die Alkansäuren als gesättigte und die Alken- sowie Alkinsäuren als ungesättigte Carbonsäuren bezeichnet. Ungesättigte Vertreter
haben also mindestens eine Doppelbindung (Alkensäure) bzw. eine Dreifachbindung (Alkinsäure) im Säurerest.
Weiterhin lassen sich die Carbonsäuren nicht nur nach bezüglich des Aufbau ihres organischen Restes R unterteilen, sondern auch bezüglich der Anzahl der in der Säure enthaltenen
charakteristischen Carboxygruppe:
- eine Carboxygruppe: Monocarbonsäure
Beispiele: Essigsäure, Buttersäure (beides aliphatische und gesättigte Monocarbonsäuren)
- zwei Carboxygruppen: Dicarbonsäure
Beispiele: Oxalsäure (aliphatische, gesättigte Dicarbonsäure), Fumarsäure (aliphatische, ungesättigte Dicarbonsäure)
- drei Carboxygruppen: Tricarbonsäure
Beispiele: Zitronensäure (aliphatische, gesättigte Tricarbonsäure)
Wie sich unschwer erkennen lässt, gibt es eine große Vielfalt an Carbonsäuren – die Liste der Beispiele und Arten würde sich noch deutlich ausführlicher und umfangreicher fortführen
lassen.
So gibt es beispielsweise noch Verbindungen, bei denen die OH-Gruppe aus der Carboxyverbindung durch eine andere Gruppe (z. B. -Cl, -OR oder -NH2) ersetzt wird. Hier wird dann von
Carbonsäurederivaten wie den Carbonsäureestern, -amiden oder -halogeniden gesprochen.
Es gibt auch Vertreter, die neben der Carboxygruppe noch andere funktionelle Gruppe tragen. Dazu zählen beispielsweise die Ketocarbonsäuren, welche eine zusätzliche Ketogruppe (=O )in der
Verbindung tragen, sowie die Hydroxycarbonsäuren, die mindestens eine weitere Hydroxygruppe (-OH) im Molekül tragen. Typisches Beispiel für eine Hydroxycarbonsäure ist die Milchsäure.
Die einfachsten Vertreter sind die unverzweigten aliphatischen Monocarbonsäuren, deren besonders langkettigen Arten zu den Fettsäuren zählen. Als einzige Ausnahme zählt hier die Butansäure
(Buttersäure), die als relativ kurzkettige Säure ebenfalls für die Bildung von Fetten verantwortlich ist.
Alle dieser Fettsäurearten sind für unsere Ernährung in gewisser Weise von wichtiger Bedeutung – dazu zählen vor allem die Vertreter, die unser Körper nicht selbst aufbauen kann und deshalb über
die Nahrung aufgenommen werden müssen. Gemeint sind die ungesättigten Fettsäuren.
So lassen sich die Säuren, die am Aufbau von fetten Ölen sowie Fetten beteiligt sind, in die Gruppen der gesättigten sowie ungesättigten Fettsäuren unterteilen.
Bei den gesättigten Fettsäuren handelt es sich um Monocarbonsäuren, deren aliphatischer Rest nur Einfachbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen besitzt. Die gesättigten Fettsäuren stecken häufig
in hoher Konzentration in tierischen Produkten wie Fleisch, Milch, Butter oder Schmalz.
Die ungesättigten Vertreter enthalten in der Kohlenstoffkette mindestens eine Doppelbindung. Demnach können sie wiederum in die einfach ungesättigten (eine Doppelbindung) sowie mehrfach
ungesättigten (mehrere Doppelbindungen) Fettsäuren gegliedert werden.
Es sind vor allem die pflanzlichen Öle und Fette, die besonders reich an mehrfach ungesättigten, also essenziellen Fettsäuren sind und deshalb in ausreichender Menge auf unserem Speiseplan stehen
sollten.
Die chemischen wie auch die physikalischen Eigenschaften sowie das Reaktionsverhalten der verschiedenen Carbonsäurearten werden eindeutig von deren funktionellen Carboxygruppe bestimmt. Dies
trifft besonders auf die ohne zusätzlicher funktionellen Gruppe im Alkylrest zu.
Dennoch ist die Acidität in Vergleich zu anorganischen Säuren wie der Salz- oder Schwefelsäure eher schwach.
Die in der Carboxygruppe (-COOH) befindliche Carbonylgruppe (C=O) besitzt ein relativ stark elektronenziehendes Sauerstoffatom. Dieser Effekt hat zur Folge, dass auch die Bindung
zwischen dem Wasserstoff und Sauerstoffatom der Hydroxygruppe ebenfalls stark polarisiert wird. Diese Situation hat zur Folge, dass sich das Wasserstoffatom der Hydroxygruppe relativ leicht
abspalten lässt. Dadurch entsteht ein freies H+ Ion.
Dies wollen wir uns exemplarisch am Beispiel von Essigsäure in einer wässrigen Lösung ansehen:
Essigsäure + Wasser ↔ Carboxylat-Anion + Oxoniumion
Das hier entstehende negativ geladene Carboxylat-Anion bildet die korrespondierende Base und ist resonanzstabilisiert. Diese Mesomeriestabilisierung ist zudem der entscheidende Grund für den sauren Charakter der Carbonsäuren.
Demnach wird die deprotonierte Form der Säure begünstigt und so das entstehende Anion stabilisiert. So sind im Carboxylat-Anion beide Sauerstoffatome gleichwertig, sodass auch die negative Ladung gleichmäßig verteilt ist und beide C-O-Bindungen einen partiellen Doppelbindungscharakter aufweisen.
Daneben trägt aufgrund der großen Elektronegativitätsdifferenz zwischen dem Kohlenstoff- und Sauerstoffatom das Kohlenstoffatom der Carboxygruppe eine positive Partialladung. Es ist daher auch leicht nukleophil angreifbar, was sich wesentlich auf deren Reaktionsverhalten auswirkt. Die wichtigen Reaktionen der Carbonsäuren wollen wir allerdings gesondert betrachten.
Die ausgeprägte Polarität der Carboxylgruppe sorgt zudem für eine Erhöhung des Schmelz- und Siedepunktes sowie eine bessere Wasserlöslichkeit. So ist ihr Schmelz- und Siedepunkt grundsätzlich höher als der von vergleichbaren Ketonen, Aldehyden oder Alkoholen.
Weiterhin sind diese genannten Eigenschaften auch signifikant von der Art der Alkylkette und möglichen in ihr enthaltenen Substituenten bestimmt. Dabei ist vor allem das der Carboxygruppe
benachbarte α-C-Atom entscheidend. Befindet sich an ihm ein stark elektronenziehender Substituent, so kann das die Säurestärke deutlich erhöhen. Dadurch bekommt die Carboxygruppe direkt eine
positivere Partialladung, was die negative Ladung des Carboxylat-Anions besser ausgleicht und es somit stabilisiert. Die Reaktion mit Wasser wird also stärker auf die Seite der Edukte
(H3O+ Ionen) verschoben.
So sind es vor allem die kurzkettigen Carbonsäuren, die durch ihren deutlich ausgeprägten polaren Charakter eine hohe Acidität und Siedetemperatur aufweisen.
Dies liegt daran, dass die Säuremoleküle untereinander Wasserstoffbrückenbindungen eingehen. Wenn sich diese in gewisser
Weise anordne, dann bilden sich sogenannte Carbonsäuredimere. Dadurch entstehen auch im Dampfraum über der Flüssigkeit Teilchen mit der doppelten Masse. Dies wiederum ist für die im Vergleich
relativ hohen Siedetemperaturen der Carbonsäuren verantwortlich.
Grundsätzlich sind Carbonsäuren gut in Wasser löslich. Nimmt die Kettenlänge der Alkylgruppe zu, dann nimmt der hydrophile („wasserlöslich“) Charakter der Carbonsäuren allerdings ab.
Gleichzeitig nimmt der lipophile (fettlöslich) Charakter zu.
Wenn wir nun einige typische kurzkettige Carbonsäuren mit weniger als sechs Kohlenstoffatomen betrachten, dann sind das unangenehm riechende (im Falle der Buttersäure) bzw. stechend
riechende (Essigsäure) und farblose Flüssigkeiten, die einen hohen Siedepunkt haben.
Obwohl es eine Vielzahl möglicher Reaktionen gibt, zählen zu den wichtigsten Herstellungsarten von Carbonsäuren die Oxidation und die Hydrolyse von Carbonsäurederivaten.
Bei der Oxidationsreaktion werden die Säuren mit starken Oxidationsmitteln aus Alkanen, alkylierten Aromaten, primären Alkoholen, Aldehyden oder Olefinen hergestellt. Als Oxidationsmittel dienen
hierbei meist reiner Sauerstoff oder Kaliumpermanganat (KMnO4).
Wie bereits erwähnt, ist das Kohlenstoffatom der Carboxygruppe aufgrund der ihm benachbarten, stark elektronenziehenden Sauerstoffatome partiell positiv geladen. Daher ist es anfällig für nucleophile Angriffe. Dieser kann durch eine Säurekatalyse – also eine Protonierung der Carbonylgruppe – noch geförderten werden. Voraussetzung dafür ist, dass das angreifende Molekül (Nucleophil) selbst keine starke Base ist. Diese Eigenschaft trifft beispielsweise auf Alkohol zu. Sollte es sich bei den Nucleophilen um Basen handeln (z. B. Ammoniak), dann werden diese durch die Säurekatalyse durch eine stattfindende Protonierung geschwächt. Doch auch die Carbonsäuren selbst kann diese Nucleophile Protonierung und unwirksam machen. Dabei entstehen folglich die nicht mehr nucleophil angreifbaren Salze der Carbonsäure (Carboxylate).
Bei der meist säurekatalysierten Veresterung reagiert eine organische Säure, genauer gesagt deren Carboxylgruppe, mit der charakteristischen Hydroxygruppe (-OH) eines Alkohols. Als
Reaktionsprodukt entsteht unter Abspaltung von Wasser ein Ester.
Carbonsäure + Alkohol ↔ Ester + Wasser
Hier stellt sich aber im weiteren Verlauf der Reaktion eine Rückreaktion ein, da auch die Carboxylgruppe des Esters vom entstandenen Wasser angegriffen werden kann. Auch dies ist ein nucleophiler
Angriff.
Daher steht eine solche Veresterung, die auch als Kondensation bezeichnet wird, mit der Rückreaktion der sogenannten Hydrolyse im Gleichgewicht.
Eine weitere mögliche Form der Reaktion von Carbonsäuren ist die Dehydratisierung. Hierbei wird die säure unter intermolekularer Wasserabspaltung unter höheren Temperaturen in organische Carbonsäureanhydride umgewandelt. Solche Säureanhydride stellen Derivate sauerstoffhaltiger Säuren dar.
Mit einer solchen Substitutionsreaktion können durch Reaktion mit Halogenen Halogencarbonsäuren hergestellt werden. Auch diese sind sehr reaktiv und können im Anschluss beispielsweise mit Ammoniak umgesetzt werden. Hieraus erhält man schließlich Aminosäuren, die wichtige Bausteine des Eiweiß darstellen.
Die heute wichtigsten Verfahren zur analytischen Untersuchung und Strukturaufklärung der verschiedenen Carbonsäuren sind die Infrarot- und Kernspinresonanz-Spektroskopie. So findet man bei
der IR-Spektroskopie die für Carbonsäuren charakteristischen Schwingungen bei ca. 1710 bis 1760 1/cm (C=O-Valenzschwingung) sowie bei 3.000 1/cm (OH-Valenzschwingung).
Im H-Spektrum der NMR-Spektroskopie befinden sich die sauren Hydroxyprotonen bei rund 10 bis 13 ppm, während die Protonen der Alkylgruppen am Carbonyl-C eine Verschiebung im Bereich von rund 2
bis 2,5 ppm aufweisen. So ist beispielsweise das Wasserstoffatom der Ameisensäure im Bereich von rund 8,08 ppm zu finden.
Im C-Spektrum findet sich das Carboxy-Kohlenstoffatom im Bereich von rund 170 bis 180 ppm.