Bindungsverhältnisse in gesättigten und ungesättigten Kohlenwasserstoffen mit der Orbitalhybridisierung – am Beispiel von Methan, Ethen und Ethin.
Grundsätzlich gehen die dabei beteiligten Atome von Kohlenstoff, Wasserstoff und sonstigen Elementen bei der Bildung von Kohlenwasserstoffen stets kovalente Bindungen miteinander ein.
Um die Bindungsverhältnisse von Kohlenwasserstoffen jedoch genau zu verstehen, müssen wir die Elektronendichteverteilung innerhalb der Orbitale der beteiligten C- und H-Atome betrachten.
Zur Veranschaulichung der räumlichen Gestalt eines Kohlenwasserstoff-Moleküls müssen wir die abstoßenden Kräfte zwischen den Elektronenpaaren der auf der Valenzschale der beteiligten Atome
genauer betrachten.
Zur Anwendung kommt hier das Elektronenpaarabstoßungsmodel. Dieses wird auch gern als VSEPR-Modell („valence shell electron pair repulsion“; Valenzschalen-Elektronenpaar-Abstoßung) bezeichnet.
Zur Veranschaulichung der Bindungsverhältnisse der in Kohlenwasserstoffen beteiligten C- und H-Atome wollen wir zunächst mit dem Methan CH4 beginnen.
C + 2H2 → CH4
Betrachten wir das Methan, so hat es ein mit zwei Elektronen voll besetztes 1s-Orbital auf der ersten Schale.
In der zweiten Schale findet man ein voll besetztes 2s-Orbital und zwei einfach besetzte 2p-orbitale.
Wenn wir uns die H-Atome anschauen, dann haben diese jeweils ein Elektron im einfach besetzten 1s-Atomorbital.
Soll sich nun eine kovalente Bindung zwischen den vier H-Atomen und dem C-Atom einstellen, dann ist die Voraussetzung, dass sich immer jeweils zwei der beteiligten Atomorbitale zu einem
Molekülorbital durchdringen bzw. sich überlappen.
Dadurch bildet sich eine neue „Elektronenwolke“, welche das bindende Elektronenpaar enthält und die beiden beteiligten Atomkerne umhüllt.
Um dies zu erreichen, dass sich jeweils die einfach besetzten 1s-Orbitale der Wasserstoffatome mit den Orbitalen des Kohlenstoffes überlappen, müssen diese in räumlicher und energetischer
Hinsicht gleich sein.
Dazu muss ein Elektron aus dem voll besetzten 2s-Orbital des C-Atoms in ein freies p-Orbital wechseln.
Nun haben wir insgesamt vier einfach besetzte Orbitale (2s, 2px, 2py, 2pz). Diese müssen nun noch von gleicher räumlicher und energetischer Struktur sein. Hier kommt nun die sogenannte
Hybridisierung zum Tragen.
Durch das „Verschmelzen“ des s-Orbitals und der drei p-Orbitale entstehen vier sogenannte „Hybridorbitale“. Hier wird auch von einer sp³-Hybridisierung gesprochen. Durch die Hybridisierung von
Orbitalen können sich die Bindungselektronen räumlich günstiger anordnen, was wiederum zu einem energetisch günstigeren und damit stabileren Zustand des gebildeten Moleküls führt.
Für die Hybridisierung der beteiligten Orbitale des C-Atoms gilt somit: s + px + py + pz → 4sp³
Die Ausbildung dieser Hybridorbitale macht es dem C-Atom möglich, sich mit den vier H-Atomen zu verbinden. Zudem ermöglicht diese Hybridisierung der Orbitale es, dem Molekül einen energetisch
günstigeren Zustand einzunehmen. Bei den Bindungen selbst handelt es sich um σ-Bindungen. Bei einer Sigma-Bindung ist die Elektronendichteverteilung (Überlappungszone der beiden
Bindungselektronen) der Verbindung der beiden Atome rotationssymmetrisch zu deren Bindungsachse.
Wichtig ist hier zu erwähnen: Der Vorgang der Hybridisierung ist ein rein mathematisches Modell und dient als Hilfsmittel, um die Elektronenstruktur innerhalb der Moleküle, speziell bei
Kohlenwasserstoffen, besser zu beschreiben.
Das bei dieser Reaktion entstehende Methan ist so aufgebaut, dass sich die vier H-Atome tetraedrisch in einem Winkel von 109,5° um das zentrale C-Atom anordnen.
Diese tetraedrische Anordnung hat energetische Gründe und führt beim Methan zur energieärmsten Struktur. Dies kann damit erklärt werden, dass durch genau diese Struktur die Wechselwirkungen
zwischen den im Molekül bindenden Elektronenpaaren am geringsten sind.
Hierbei wird auch vom Elektronenpaarabstoßungsmodell gesprochen, was Anwendung im EPA-Modell – bzw. dem vorher erwähnten VSEPR-Modell – findet.
Mit diesem lässt sich anhand der beteiligten bindenden und freien Elektronenpaaren der Moleküle eine Aussage über deren reale Strukturformel treffen. Neben der tetraedrischen Form wie beim CH4,
gibt es hier noch weitere Formen wie trigonal planar, linear, oktaedrisch und viele weitere ähnliche Formen, die sich nahe den idealen theoretischen Bindungswinkeln annähern.
Bei der Strukturformel der Kohlenwasserstoffe werden, ähnlich wie bei den anorganischen Verbindungen, die Elektronenpaare immer mit einem Strich dargestellt. Handelt es sich um ein oder mehrere
bindende Elektronenpaare, so kommen die Striche zwischen die Atome. Die freien Elektronenpaare werden entsprechend um das Atom herum angeordnet.
Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Molekülstrukturen mit ihren charakteristischen Bindungswinkeln kommen wir direkt zu den ungesättigten Kohlenwasserstoffen wie dem Ethen
C2H4.
Betrachten wir die Strukturformel des Ethens, dann wird ersichtlich, dass hier die beiden C-Atome eine Doppelbindung miteinander eingehen.
Auch hier können wir wieder das Modell der Hybridisierung anwenden. Beim Beispiel des Ethens bildet das C-Atom nur mit insgesamt drei Bindungspartnern eine Atombindung aus. (2 x H-Atome und 1 x
C-Atom)
Zur Ausbildung dieser Verbindungen ist wiederum eine Hybridisierung der beteiligten Orbitale notwendig. Dazu werden im C-Atom das s- und zwei P-Orbitale hybridisiert und es entstehen drei
sp²-Hybridorbitale. Das dritte im C-Atom enthaltene pz-Orbital bleibt dabei unhybridisiert.
Für die Orbitale gilt also: s + px + py → 3sp³
Nach erfolgreicher Hybridisierung wird es nun möglich, das Molekül entsprechend zu bilden. Hierzu bilden sich jeweils zwischen den hybridisierten sp² Orbitalen des C-Atoms und den s-Orbitalen der
H-Atome vier σ-Bindungen aus.
Zusätzlich dazu überlappen sich noch die beiden nicht hybridisierten pz-Orbitale der beiden C-Atome und bilden eine sogenannte π-Bindung. Hier „verschmelzen“ also die hantelförmigen pz-Orbitale
der beiden C-Atome. Die Elektronendichteverteilung ist hier nicht rotationssymmetrisch bezüglich der Kern-Kern-Bindungsachse, sondern delokalisiert unter- und oberhalb der Orbitalknoten.
Diese unterscheiden sich nicht nur in ihrer Form der Elektronendichteverteilung – auch die Bindungsstärke einer sp2-sp2-σ-Bindung ist mit rund 450 kJ/mol deutlich stärker als die der π-Bindung
mit 270 kJ/mol.
Dies wirkt sich beispielsweise in chemischen Reaktionen aus, da sich hier die π-Bindung leichter spalten lässt.
Auch hier ordnen sich die Bindungspartner wieder im maximalen Abstand voneinander in einem Winkel von rund 120° planar aneinander an. Da sich die beteiligten drei Bindungsatome jedoch
unterscheiden, weicht dieser Winkel in der Realität etwas ab. So beträgt der H-C-H Bindungswinkel im fertigen Molekül C2H4 rund 117°.
In gleicher Weise können die Bindungsverhältnisse des Ethin (C2H2) beschrieben werden. Bei Ethin, auch als Acetylen bezeichnet, wird neben dem s-Orbital nur eines der drei
p-Orbitale hybridisiert. Daher spricht man hier auch von einer sp-Hybridisierung.
Es gilt: s + px → 2 sp
Bildet sich nun nach erfolgter Hybridisierung das fertige Ethin-Molekül aus, so ordnen sich hier die beteiligten Elektronenpaare innerhalb ihres Molekülorbitals der C-H Bindung nach dem
Elektronenpaarabstoßungsmodell wieder im maximalen Abstand zueinander an. Das Ergebnis ist eine lineare Struktur mit einem H-C-H-Bindungswinkel von 180°.